Duell
(Duel)
USA 1971, 90 Minuten (DVD: 86 Minuten)
Regie: Steven Spielberg

Drehbuch: Richard Matheson
Musik: Billy Goldberg, James Lee, Al Trace
Director of Photography: Jack A. Marta
Montage: Frank Morriss
Produktionsdesign: Robert E. Smith, Sal Blydenburgh

Darsteller: Dennis Weaver (David Mann), Jacqueline Scott (Mrs. Mann), Eddie Firestone (Besitzer von Chucks Café), Lou Frizzell (Busfahrer), Gene Dynarski (Mann in Chucks Café), Lucille Benson (Frau mit Schlangenzucht), Tim Herbert (Tankwart), Charles Seel (alter Mann), Shirley O’Hara (Bedienung in Chucks Café), Alexander Lockwood (Alter Mann in Auto), Amy Douglass (Alte Frau in Auto), Carey Loftin (Truckfahrer)

Ein Mann wird zum Killer

Von Anfang an beschleicht einen das Gefühl von etwas Drohendem. Zunächst hört man nur Fahrgeräusche vom Highway, Wetter-, Staumeldungen und Werbung aus dem Radio. Man sieht direkt aus einem Auto auf die Autobahn. Der zunächst ungesehene Fahrer wechselt die Sender, nichts scheint ihn wirklich zu interessieren. Sportnachrichten, irgendeine Anfrage wegen der nahenden Volkszählung, dann wieder Werbung, Musik. Dann wechselt der Blick auf das Auto, irgendein knallroter Schlitten. Das Auto verlässt den Highway. Erst im Rückspiegel, dann vom Beifahrersitz aus sieht man auf den Fahrer, einen Durchschnittsamerikaner, wie man so sagt, ein Mann mittleren Alters, mit Brille, einen dieser x-beliebigen Aktenkoffer auf dem Boden, ein Vertreter auf dem Heimweg.

Steven Spielberg drehte „Duell” zunächst „nur” für das Fernsehen. In zwölf Tagen war der Film fertig. Und im Unterschied zu seinen späteren Filmen wirkt hier alles noch auf eine bestechende Weise „rein”, „unverblümt” könnte man auch sagen. Nichts gegen Spielbergs spätere Filme, doch „Duell” verortet die großen Themen seiner Filme – oder zumindest einige – seines Werks (Familie, Gewalt, Ängste, auch Urängste u.a.) noch ohne den Schimmer einer Hollywoodproduktion.

 

David Mann (Dennis Weaver) fährt durch bergiges Gelände, vielleicht irgendwo in den Rocky Mountains, durch einsame Gegenden. Es ist Sommer. Blauer Himmel, grelles Licht. Und auch als er hinter einem Truck hinterher fährt, einem bräunlichen, angerosteten alten Truck, der irgendeine leicht entzündliche Flüssigkeit transportiert, ahnt man noch nichts Böses. Er überholt diesen Truck. Der wiederum überholt David kurze Zeit später und setzt sich, mit gezügelter Geschwindigkeit vor ihn. Als David an einer Tankstelle hält, stoppt der Truck neben ihm. Der Fahrer ist nicht zu sehen, steigt auch nicht aus. David telefoniert mit seiner resoluten, um nicht zu sagen leicht herrschsüchtigen, Frau, die ihn um halb sieben erwartet – komme, was da wolle. Punkt.

Wiederum fährt ihm der Truck hinterher. David lässt ihn vorbei, aber wiederum setzt sich der Truck direkt vor ihn. Dann sieht man die Hand des Truckfahrers. Er winkt David zu, damit dieser überholt. Gegenverkehr. Fast ein Unfall. Als David von der Straße abkommt, dreht er auf, überholt den Truck, der wiederum direkt hinter ihm fährt, hupt, fast auf das rote Auto drauf fährt, dann dessen Stoßstange anfährt. Fast 90 Meilen, dann sogar 100. Aber David, der erbost ist, kann dem Truck nicht entkommen. Direkt gegenüber einem Truckstop, Chucks Café, gerät Davids Auto ins Schlingern. Er fährt direkt in einen Weidezaun.

Spätestens zu diesem Zeitpunkt ist David davon überzeugt, dass der Truckfahrer ihn umbringen will. Er wankt, an der Schulter leicht verletzt, in Chucks Café – und sieht kurze Zeit später, dass der Truck draußen angehalten hat. Im Café sitzen mehrere Männer. Und nun beginnt der wahre Alptraum für David. Ist es einer von den Männern, die den Truck fahren? Soll er die Polizei rufen? Soll er versuchen herauszubekommen, wer der Truckfahrer ist und mit ihm ganz ruhig sprechen? David ist verzweifelt, hat Angst, sucht nach einem Ausweg, redet auf einen der Männer ein, ohne zu wissen, ob er der Truckfahrer ist, schlägt ihm – völlig fertig – das Sandwich aus der Hand und kassiert dafür Prügel.

Dann sieht er aus dem Fenster. Der Truck fährt weiter. Was David nicht ahnt, ist, dass der Alptraum nun erst richtig beginnt ...

Kino pur, könnte man sagen, ohne Schnörkel, ohne special effects, ohne großes Drumherumgerede, konzentriert auf einen Gedanken. Auch die Kamera ist konzentriert bei der Arbeit. Keine Umschweife, keine Nebenplots. Es geht um David und seine Reaktionen auf die Bedrohung. Dabei lässt Spielberg es völlig offen, warum der Truckfahrer David an den Kragen will. Er mag ein Psychopath sein oder sonst war. Egal. Im Zentrum steht David Mann. Außer dem winkenden Arm des Truckfahrers sieht man nichts von ihm. Der Truck selbst, dieses leblose Objekt, wird zur Horrorgestalt, zum Schreckensgefährt, zum materialisieren Alptraum für einen Mann, der nur nach Hause will.

Bei der Inszenierung nutzt Spielberg eine Paradoxie. Die Handlung spielt ja nun nicht in einem Fahrstuhl, einem engen Raum oder in einem von Außerirdischen bedrohten Raumschiff. Nein, wir befinden uns die gesamte Zeit über in einer weiten, zum Teil bergigen Landschaft. Aber genau hier entwickelt sich zunehmend eine klaustrophobische Enge. David kann dem Truck in dieser Weite nicht entkommen. Stundenlang versucht er es, drückt aufs Gas, aber der Truck ist genauso schnell wie er. Selbst an einem Pass gelingt es David nicht, dem Ungetüm zu entkommen.

Es dauert lange, bis David die aus der Verzweiflung geborene Strategie zu entkommen aufgibt und zum Gegenschlag ausholt. Der Film thematisiert erst gar nicht die Möglichkeit, einfach zurückzufahren, in die Richtung, aus der David kam, um einen völlig anderen Weg nach Hause, einen Umweg zu nehmen. Ist es die Angst vor einem weiteren Streit mit seiner Frau, die David davon abhält? Oder ist es die späte Erkenntnis, dass es hier jemand auf sein Leben abgesehen hat?

Hinzu kommt, dass kein Mensch David in irgendeiner Weise helfen will. Es herrscht Gleichgültigkeit und Desinteresse. Ein älteres Ehepaar, das er bittet, die Polizei zu verständigen, will nichts mit Davids Problemen zu tun haben. Ein Busfahrer, der David bittet, sein Gefährt mit dem Auto anzuschieben, glaubt ihm kein Wort. Die Gäste von Chucks Café schauen ihn als irgendeinen Fremden an, der wohl durchgeknallt ist. Aber noch etwas treibt David immer weiter in die direkte Konfrontation mit dem Truckfahrer: sein individualistischer Weg, mit seinem Problem umzugehen. Spielberg zeigt ihn tatsächlich als jenen Durchschnittsamerikaner, der im normalen american way of life auf Familie, Nachbarn, wahrscheinlich ein bisschen Religion usw., baut, in dieser Extremsituation aber als absoluter Individualist reagiert. Man könnte auch sagen: Er lässt sich auf das böse Spiel ein. Er akzeptiert irgendwann im Verlauf der Konfrontation die Regeln, die der Truckfahrer ihm setzt – die Regeln jenes Spiels, in dem es nur einen Gewinner gibt und geben kann, dem Spiel auf Leben und Tod. Schon in Chucks Café hätte er die Möglichkeit gehabt, die Polizei anzurufen oder Freunde. Nichts dergleichen passiert. Er versucht auch erst gar nicht, ernsthaft mit jemandem zu sprechen. Er begibt sich in die Konfrontation, er reduziert die Gefahr auf eine persönliche Angelegenheit zwischen ihm und dem Truckfahrer.

Im nachhinein wirkt der Truck wie eine Art horrormäßiges Versuchskaninchen, um einen Mann wie David vorzuführen – bis zu dem Entschluss Davids, dem Spiel zu seinen Gunsten ein Ende zu setzen. David spekuliert auf den Überraschungseffekt, darauf, dass der Truckfahrer nicht erwartet, dass David zum Gegenschlag ausholt.

Am Schluss sieht man David vor der untergehenden Sonne an einem Abgrund sitzen – erleichtert, entspannt, befreit, als Sieger, allein, einsam.

Spielberg – so könnte man auch formulieren – entwickelt über David das, was man als (hier private) Sicherheitsstrategie bezeichnen könnte, aus einer aktuellen Bedrohungssituation heraus erzeugt. Fast alle Momente dieser Sicherheitsstrategie sind vorhanden – bis hin zum Killerinstinkt, den David schließlich entwickelt und dessen Erfolg ihn wie einen kleinen Jungen vor dem Felsabgrund hüpfen lässt. Dass diese Sicherheitsstrategie gleichzeitig auch Ideologie ist, wird mehr als deutlich. David, ganz befangen in seinem Entschluss, pünktlich zu Hause zu erscheinen, akzeptiert die Mechanismen des gefährlichen Spiels auf Leben und Tod, als wenn es einem Naturgesetz entsprechen würde – so wie in der globalisierten Ökonomie nichts anderes möglich zu sein scheint, als sich auf das Spiel von Gewinnern und Verlierern einzulassen und die Ergebnisse dieses Spiels wie ein Naturgesetz zu akzeptieren (so einer der Väter der neoliberalen Ideologie, Friedrich von Hayek). Zunächst ist David sauer, dann ängstlich, dann in Todesangst, und dann überlegt er, wie er der Gefahr entkommen kann. Der einzige Ausweg, der ihm in den Sinn kommt, ist es, die letzte Regel des Spiels zu akzeptieren: Killer zu werden. Diese Feststellung hat weniger einen moralischen oder gar strafrechtlichen Aspekt (Notwehr würde ihm sicherlich zugestanden werden). Es geht vielmehr um den kulturellen Gesichtspunkt eben der Bedeutung jener Ideologien von vermeintlicher Sicherheit, die aus zweifellos akut gefährlichen Situationen keinen anderen Weg entwickeln können als den, mit den gleichen Mitteln zurückzuschlagen.

Dass der Zuschauer im Laufe des Films durchaus Sympathien für David Mann entwickelt, entspricht dem Stand der Internalisierung solchen Denkens. Trotzdem bleibt am Schluss des Films einer Gefühl eben der Unsicherheit, des Zweifels, ein gewisses Unwohlsein, über das, was geschehen ist und vor allem, was sich eigentlich geändert hat. Der Held, wenn man David Mann denn so bezeichnen würde, ist einsam. Er hat gesiegt. Aber über was?

© Bilder: Universal Pictures