Soloalbum
Deutschland 2003, 87 Minuten
Regie: Gregor Schnitzler

Drehbuch: Jens-Frederick Otto, Christian Zübert, nach dem Roman von Benjamin von Stuckrad-Barre
Musik: Fetisch & Meister
Director of Photography: Gero Steffen
Montage: Hansjörg Weißbrich, Alexander Dittner
Produktionsdesign: Mona Kino

Darsteller: Matthias Schweighöfer (Ben), Nora Tschirner (Katharina), Oliver Wnuk (Alf), Christian Näthe (Christian), Lisa Maria Potthoff (Nadja), Sandy Mölling („Anastacia“), Thorsten Feller (Friedrich Unger), Leander Haußmann (Chefredakteur), Jens-Frederick Otto (Sanitäter)

Die bissige Kulturkritik ist raus

Als Benjamin von Stuckrad-Barre vor etlichen Jahren mit seinem Roman „Soloalbum“ einen Hit landete, lag das weniger an einer originellen Geschichte über eine zerbrochene Liebe. Begeistern konnte der in Ich-Form geschriebene Roman, weil er die Zeichen, Symbole und den Körperkult der Jugendkultur der 90er Jahre, einschließlich der mit ihnen verwobenen Medien- und Konsumlandschaft, beißend, frech, böse aus der egozentrischen Perspektive der Hauptfigur unter die Lupe genommen hatte (vgl. zwei Textauszüge als Beispiele am Schluss [1]).

Gregor Schnitzler adaptierte den Stoff um einen jungen Mann, Ben (Matthias Schweighöfer aus „Herz im Kopf“), der von seiner Freundin Katharina (MTV-Moderatorin Nora Tschirner) per SMS aus ihrem (Liebes-)Leben katapultiert wird, fürs Kino. Viel ist dabei vom Roman nicht geblieben. Schnitzler, der vor einem Jahr die autonome Szene der 80er Jahre in „Was tun, wenn’s brennt“ einer spaßigen, wenn auch nicht völlig unrealistischen Sichtung preisgegeben hatte, konzentriert sich ganz und gar auf die durch eingeblendete Merksätze umrahmte Love-Story – Motto eben auch: Was tun, wenn’s brennt. Medienlandschaft und Popkultur bilden im Gegensatz zum Roman nur noch den äußeren Handlungsrahmen. Und oft wirkt der Film wie eine Zweitauflage von Stephen Frears „High Fidelity“ nach dem Kult-Roman von Nick Hornby, aus dem eine Szene mehr oder weniger deutlich „geliehen“ wurde.

Ben ist natürlich erst jetzt, da Katharina ihm den Laufpass gegeben hat, bewusst, was er an ihr hatte. Er lässt sich hängen, bekommt Ärger mit seinem Chef in der Musikredaktion, verliert sich beim Versuch, neues weibliches Terrain zu erobern und beschließt letzendlich, an der Rückeroberung Katharinas zu arbeiten. Die allerdings bleibt – mehr oder weniger – hart gesotten und legt sich einen neuen Freund zu. Bens Freunde, Alf (Oliver Wnuk), der sich auf die Herstellung ungewöhnlicher Drogensäfte spezialisiert hat, und Christian (Christian Näthe), den ständig Selbstzweifel quälen, haben alle Hände voll zu tun, um den Gefallenen wieder auf die Füße zu stellen. Dass dabei bis zum nicht ausbleibenden Happyend mehr oder weniger fast alles schief geht, ergibt sich von selbst.

Die witzigsten Einfälle des Films sind zwar arg auf Popularität statt „grundierte“ Provokation ausgerichtet. Die überdrehte Zuspitzung von Alltagssituation allerdings kann trotzdem die Lachmuskeln strapazieren, etwa wenn die Feuerwehr mit Gewalt in Bens Wohnung eindringt, der im Halbschlaf von der aufgerissenen Tür eins auf die Nase bekommt und sich mehr ruhig als erstaunt fragt, was um alles in der Welt die Feuerwehr eigentlich will. Eine spezielle Pinkelszene, über die ich hier nichts verraten möchte, ist Ausdruck davon, dass Ben endgültig „abgeschifft“ zu sein scheint.

Trotz der auf belang- und harmlosen Mainstream ausgerichteten Inszenierung ist Schnitzler eine überwiegend witzige und spritzige Komödie gelungen, was nicht zuletzt Christian Näthe und Oliver Wnuk sowie einigen netten Einfällen und Dialogen zu verdanken ist. Matthias Schweighöfer spielt den egozentrischen Ben als verlorenes Häufchen Elend, das sich als Stehaufmännchen entpuppt, sympathisch und gerade in Bens eher ernsteren, depressiven Phasen erweist sich Schweighöfer als überzeugender Mime. Lediglich Nora Tschirner wirkt als Katharina manchmal etwas farblos.

Kulturkritische Bissigkeit raus, Slapstick und humorvolle Wortdialoge rein. Harmlos, aber trotz allem knapp eineinhalb Stunden kurzweilige Unterhaltung, die so mancher mit viel Werbung, Pomp und Stars daherkommenden Hollywood-Komödie der letzten Jahre durchaus den Rang ablaufen kann. Man kann natürlich einen solchen Film an der Vorlage und ihrer Intention messen. Dann müsste man urteilen: gescheitert. Da „Soloalbum“ jedoch auf eine eigene Art sehr viel Dynamik entwickelt und die Lachmuskeln strapaziert, fällt meine Beurteilung positiver aus.

[1] Aus dem Roman:
„Ich werde mitgenommen zu einer Vernissage. Die Leute fangen mit dem Irrsinn ja schon in meinem Alter an. Da war man sich grade mal generationsintern halbwegs einig, dass anthrazitfarbene Rollis, Weißwein, runde Brillen und dummes Geschwätz nicht unbedingt beibehalten bzw. fortgeführt werden müssen (so dachte ich!), da wird andernorts schon munter ausgestellt und eröffnet. Fuck. Das ganze natürlich nicht in einer Galerie, sondern in einem Parkhaus, das haben die wahrscheinlich aus Amerika oder so. Dazu läuft Drum & Bass, denn Drum & Bass muss immer laufen, wenn Leute sich jetzt aber mal wirklich einen ganz schönen Abend machen wollen, ohne die da draußen. Ich verstehe nichts von dieser Musik. Aber sie gefällt mir, was natürlich sehr naiv ist, ganz sicher, aber vielleicht ist es auch so, dass es an der Musik nicht viel zu unterscheiden und zu begreifen gibt. Das wäre für manchen vielleicht Grund, die Musik abzulehnen, für mich aber nicht. So was ist ja wurscht. Die Musik ist gut, stört nicht, ist schönes Geräusch, aus fertig, man muss ja nicht alles begreifen, um es zu mögen.“

„Gleich stehen sie vor meinem Bett. Gronkwrömmm. Das klingt nach Kieferchirurg, schwerer Eingriff, Kasse zahlt kaum was zu. Ein grauenhaftes Schmirgelgebrumm, und das kann ich nun nicht mehr ignorieren, schließlich kreischt das (was auch immer!) deutlich lokalisierbar direkt vor meiner Wohnungstür. Ich ziehe mir ein T-Shirt an, mache Licht und gucke durch den Tür-Spion. Draußen stehen viele Leute. Es ist ungefähr 2 Uhr nachts, die Leute tragen Uniformen, und ich glaube, gleicht steckt der Bohrer oder die Dampframme, oder was auch immer das ist, direkt in meinem Bauchnabel. Sie klingeln übrigens auch Sturm, aber das wird durch das Gruselwerkzeug weitestgehend übertönt.“


 

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